Die UN-Kinderrechtskonvention (UN- KRK) ist die Grundlage für Demokratiebildung, doch wie verbindlich ist sie für Deutschland? Bisher liegen vier so genannte Staatenberichte vor; zuletzt 2019. Und was sagen diese Berichte zum Soll- bzw. Ist-Zustand der Demokratiebildung in Deutschland, vor allem für die Verankerung bzw. Vermittlung der UN-KRK im Bildungsbereich (Kita, Hort, Ganztag)? Ein Blick auf die Forschungsaktivitäten und Projekte zur Demokratiebildung der letzten Jahre zeigt ein durchwachsenes Bild: wenig für die Bereiche Krippen und außerschulischer Kontext, Einiges für Schulen und zur Mitbestimmung von Kindern und Jugendlichen allgemein und nur Vereinzeltes für den Kita-Bereich (siehe u.a. LBS-Kinderbarometer 2018 sowie Kinderrechtereport 2019).
Was folgt aus dieser Zusammenschau? Es braucht mehr Partizipation in Grundschulen, mehr Fortbildungen im Bereich der Demokratiebildung, eine Stärkung der Schulsozialarbeit, ein niedrigschwelliges Beschwerdemanagement und die stärkere Einbindung von Online-Beteiligungsangeboten. Doch wer mehr Demokratie in Bildungseinrichtungen will, stellt grundsätzliche Fragen – nach Macht, Zeit und Ressourcen sowie der Ausbildung von Fachkräften.
Fragen an Frau Steenkamp (Live-Chat)
Wie kommen wir weg davon, dass die Umsetzung von Kinderrechten z. B. in der Schule so stark von Einzelpersonen abhängt? #frauherrgemeinodersympathisch
Über Leitbilder: Jede Einrichtung sollte ein kleine „Verfassung“ haben, in der demokratische Grundprinzipien formuliert sind, die ihrerseits als transparentes und verbindliches Qualitätsmerkmal gelten. Diese sind Gradmesser und Grundlage, gegebenenfalls auch für harte Auseinandersetzungen.
Wie gelingt eine ganzheitliche Demokratiebildung im Sinne von ganzheitlich erfahrbar und nicht nur in den Einrichtungen? Wie muss eine Zusammenarbeit mit den Sorgeberechtigten hier aussehen?
Der zweite Aspekt der Frage ist schwierig, da die Familien bzw. Sorgeberechtigten sehr verschiedenen sind und in unterschiedlichen Zusammenhängen stehen. Der erste Teil der Frage ist leichter zu beantworten: z.B. durch „Service learning“ – das heißt, das die Kinder an ein bis zwei Schulstunden in der Woche in Einrichtungen vor Ort gehen (z.B. NABU oder Altersheime), wo Menschen zusammenkommen und dort konkret im sozialen Raum lernen.
Welche Rolle spielen Ihrer Meinung nach "Beschwerden" im Rahmen von Partizipation bzw. demokratischer Bildung? Ist das nicht einer der wichtigsten Aspekte überhaupt?
Ein gutes Beschwerdemanagement ist nötig; aber der Begriff ist an sich schwierig (weil negativ besetzt). Er kann und sollte mit dem Begriff der Qualität verbunden werden – z.B. über so genannte Qualitätszirkel, bei denen alle Beteiligten an einen Tisch kommen und über mögliche Probleme oder positive Beispiel sprechen. Es ist wichtig, den Aspekt der Gestaltung konstruktiv mitzudenken.
Wie kann Demokratiebildung in Schulen praktiziert werden, die nach wie vor auf Frontalunterricht setzt und die Selbstbildungsprozesse von Kindern kaum fördert.
Durch kompetente Lehrkräfte, die möglichst wenig Frontalunterricht machen und ein breites Spektrum an Methoden kennen und anwenden. Solche Methoden werden durchaus an den Universitäten vermittelt, aber der mögliche „Praxisschock“ lässt viele doch auf den Frontalunterricht als das Mittel der Wahl zurückgreifen.
Wie können jüngere Kinder mehr beteiligt werden (z.B. Krippe)?
Vor allem über das Wahr- und Ernstnehmen von nonverbaler Kommunikation und Signalen. Das bedarf einer Kompetenz der Fachkräfte, solche Zeichen gut zu deuten und dann damit umzugehen. Aber man muss auch selbstreflektierend zur eigenen Haltung stehen und sich ehrlich fragen: Wie halte ich es mit der Macht?
Welche Ideen haben Sie, wie wir die Fachkräfte hinsichtlich ihrer Haltung, zu mehr Beteiligung qualifizieren können?
Es geht grundsätzlich um persönliche Fragen im Umgang mit Diversität und Macht; die individuelle Haltung der Fachkräfte entscheidet darüber, wie Situationen wahrgenommen werden und welche Handlungs- oder Interventionsoptionen vorgegeben werden.
Hinweis: in der gelben Infobox ganz unten finden Sie ein Dokument mit zusätzlich beantworteten Publikumsfragen.