Arbeitsschwerpunkte

Kinderrechte

Die Kinderrechte sind eines unserer vier Schwerpunktthemen. Auf dieser Seite erfahren Sie mehr zum Zusammenhang von Kinderrechten und Demokratiebildung.

 

Kinderrechte und Demokratiebildung

Die UN-Kinderrechte stellen unmissverständlich klar: Kein Kind darf benachteiligt werden. Damit sind sie ein Grundpfeiler von ganzheitlicher Demokratiebildung. Die Verabschiedung des Übereinkommens über die Rechte des Kindes (UN-KRK) im Jahr 1989 stellt vor diesem Hintergrund eine Zäsur dar. Erstmals wurden speziell ausformulierte Rechte für Kinder über nationale Grenzen hinweg festgelegt. Mit Ausnahme der USA haben alle UN-Mitgliedsstaaten das 54 Artikel umfassende Übereinkommen unterzeichnet und damit deutlich gemacht, dass Kinder Träger eigener unveräußerlicher Rechte sind. Die UN-KRK schreibt beispielsweise den Schutz vor Diskriminierungen aufgrund verschiedener Merkmale vor. Im Artikel 2 [Achtung der Kindesrechte; Diskriminierungsverbot] heißt es dazu: 

(1)    Die Vertragsstaaten achten die in diesem Übereinkommen festgelegten Rechte und gewährleisten sie jedem ihrer Hoheitsgewalt unterstehenden Kind ohne jede Diskriminierung unabhängig von der Rasse , der Hautfarbe, dem Geschlecht, der Sprache, der Religion, der politischen oder sonstigen Anschauung, der nationalen, ethnischen oder sozialen Herkunft, des Vermögens, einer Behinderung, der Geburt oder des sonstigen Status des Kindes, seiner Eltern oder seines Vormunds.

Zu den vier Grundprinzipien der Kinderrechte gehört neben dem oben genannten Recht auf Nicht-Diskriminierung die vorrangige Berücksichtigung des Kindeswohls (Artikel 3 Absatz 1), das bei allen Entscheidungen, die von privaten oder öffentlichen Institutionen über Kinder getroffen werden, beachtet werden muss. Dies kann beispielweise den Bau einer Straße betreffen aber auch die Entscheidungen von Familiengerichten. Daneben gibt es ein Recht auf Leben und Entwicklung des Kindes (Artikel 6), das Staaten dazu verpflichtet, Bedingungen zu schaffen, damit das Überleben von Kindern gesichert ist und sie sich weiterentwickeln können. Die Aufgabe von Erziehungs- und Bildungseinrichtungen sowie von Förderprogrammen sollte es sein, herkunftsbedingte Bildungsbenachteiligungen auszugleichen. Festgeschrieben ist auch das Recht auf Gehör und Berücksichtigung der Meinung des Kindes (Artikel 12). Artikel 12 verpflichtet zur „Berücksichtigung des Kindeswillens“: 

(1)    Die Vertragsstaaten sichern dem Kind, das fähig ist, sich eine eigene Meinung zu bilden, das Recht zu, diese Meinung in allen das Kind berührenden Angelegenheiten frei zu äußern, und berücksichtigen die Meinung des Kindes angemessen und entsprechend seinem Alter und seiner Reife. 
 

Die Kinderrechte stellen somit den rechtlichen Rahmen für demokratische Konzepte wie Partizipation, Inklusion und Anti-Diskriminierung her. Trotz ihrer unbestrittenen Relevanz zeigen aktuelle Zahlen des Deutschen Kinderhilfswerkes, dass bei der Bekanntmachung der Kinderrechte in Deutschland noch Nachholbedarf herrscht. 57 Prozent der Kinder sind die Kinderrechte zwar ein Begriff, über näheres Wissen verfügen sie jedoch nicht. Ein ähnliches Bild ergibt sich bei den Eltern, von denen 70 Prozent angeben, die Kinderrechte nur vom Namen her zu kennen (siehe dazu den Kinderrechte-Index 2019)

Kinderrechte ins Grundgesetz! Die Kinderrechte werden auch 30 Jahre nach Ratifizierung der UN-Kinderrechtskonventionen in Rechtsprechung und Verwaltung nicht ausreichend umgesetzt. So wird beispielsweise bei Gesetzgebungsverfahren keine Einschätzung aus kinderrechtlicher Perspektive vorgenommen. Im Grundgesetz finden Kinder bisher kaum Erwähnung und werden dort nicht als eigenständige Rechtssubjekte behandelt. Mit der Aufnahme der Kinderrechte in das Grundgesetz würden Kinder endlich als Träger*innen eigener Rechte anerkannt, zudem würde ein kinderrechtebasierter Ansatz bei staatlichen Entscheidungen gewählt und Kinder müssten bei allen sie betreffenden Angelegenheiten und unter Berücksichtigung ihrer individuellen Lebensrealitäten beteiligt werden. Dies betrifft sämtliche relevanten Gesellschaftsbereiche, wie beispielsweise das Straßenverkehrsrecht, das Baurecht, die Haushaltsgesetzgebung oder den Bildungsbereich.  
Die Beteiligung von Kindern ist ein herausragender Wert einer demokratischen Gesellschaft und sollte als Leitbild gesellschaftlichen Handelns in Deutschland fest verankert werden. Bisher entsprechen die Beteiligungsrechte von Kindern in Deutschland nicht durchgängig den Standards der UN-Kinderrechtskonvention. Doch Demokratiebildung und vollständig gesetzlich garantierte Kinderrechte, so wird unmissverständlich deutlich, hängen untrennbar miteinander zusammen. Die Kinderrechte als Basis allen pädagogischen Handelns stellen somit ein herausragendes Qualitätskriterium in Erziehungs- und Bildungseinrichtungen dar.
 

Literaturempfehlungen

Dokumentation der Fachtagung der Fachstelle Kinderwelten für Vorurteilsbewusste Bildung und Erziehung/ ISTA:  11. Baustelle Inklusion am 27.6.2022: „30 Jahre Kinderrechte – jetzt erst recht! Diskriminierungskritische Perspektiven auf die UN-Kinderrechte in Kita und Grundschule“ https://baustellen.kinderwelten.net/baustelle2022/

Fachstelle Kinderwelten (2022): Kinderrechte – ein Mosaik von Bedeutungen. Film im Rahmen der 11. Baustelle Inklusion, mit Zahra Afshar, Tanu Biswas, Simin Turgay, Maryam Haschemi Yekani, ManuEla Ritz, Manfred Liebel, Narven Jamo, Philip Meade, Elisa Bönisch, Claudia Kittel und Catharina Rafoth. https://situationsansatz.de/publikationen/11-baustelle-inklusion-2022-kinderrechte-ein-mosaik-von-be-deutungen/

Liebel, M. (2010). Diskriminiert, weil sie Kinder sind: ein blinder Fleck im Umgang mit Menschenrechten. Diskurs Kindheits- und Jugendforschung / Discourse. Journal of Childhood and Adolescence Research, 5(3), 307-319. https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:0168-ssoar-354707

Wagner, Petra (2022): Das Kinderrecht auf Schutz vor Diskriminierung – Diskriminierungskritische Kitapraxis mit dem Ansatz der Vorurteilsbewussten Bildung und Erziehung© In: Leonhardt/ Kruschel/ Schuppener/ Hauser (Hrsg.) (2022): Menschenrechte im interdisziplinären Diskurs. Perspektiven auf Diskriminierungsstrukturen und pädagogische Handlungsmöglichkeiten. Beltz Juventa. S. 216-230. https://situationsansatz.de/wp-content/uploads/2022/09/Das_Kinderrecht_auf_Schutz_vor_Diskriminierung.pdf

Wagner, Petra (2019): Kinder vor Diskriminierung schützen! Der unmissverständliche Auftrag des Artikel 2 der Kinderrechtskonvention. In: Deutsche Kinderhilfe Spezial (Hrsg.): 30 Jahre Kinderrechte. Ein Plädoyer für die Rechte des Kindes. www.kindervertretung.de, S. 14-17. https://situationsansatz.de/wp-content/uploads/2019/07/Beitrag-P.Wagner-30J-KiRe.pdf