Veranstaltungsdokumentation

Abschlusstagung 2024

 

An dieser Stelle finden Sie die Dokumentation zur Abschlusstagung des Kompetenznetzwerkes Demokratiebildung im Kindesalter, die am 05. November 2024 in Berlin stattfand. Wir stellen Ihnen direkt auf dieser Seite die Grußworte und fachlichen Inputs in Form von Videomitschnitten, Präsentationen oder kurzen Zusammenfassungen zur Verfügung. Begleitende Dokumente stehen Ihnen über den Button "Weiterlesen" in den gelben Infoboxen zum Download zur Verfügung. 

Hinweis: Die Untertitelung der Videos erfolgt automatisch durch eine Spracherkennungssoftware.

Einführung in den Tag und Grußworte

Lisa Paus, Bundesministerin für Familie, Frauen, Senioren und Jugend, betont die zentrale Rolle der Stärkung von Demokratiebildung von Anfang an für die Gesellschaft.
Thomas Krüger, Präsident des Deutschen Kinderhilfswerkes, führt aus, welche Auswirkungen die Corona-Pandemie auf junge Menschen und auf die gesamte Gesellschaft hatte.
Petra Wagner, Leitung der Fachstelle Kinderwelten und Co-Leitung im Kompetenznetzwerk Demokratiebildung im Kindesalter, betont, dass die Abschlusstagung des Kompetenznetzwerkes kein Abschluss für die Arbeit für Demokratiebildung im Kindesalter bedeuten kann, sondern eine Fortsetzung braucht. 

Lisa Paus, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, betont die zentrale Rolle der Stärkung von Demokratiebildung von Anfang an für die Gesellschaft. Die vergangenen Jahre zeigten besonders die Notwendigkeit, mit Demokratiebildung bereits im Kindesalter zu beginnen. Demokratiebildung trage zur Stärkung der Kinder und zur Stärkung der demokratischen Gesellschaft bei. Dabei ständen die Erwachsenen in der Verantwortung die Umsetzung der Kinderrechte sicherzustellen. Durch Konzeptentwicklung, Bündelung von Kompetenzen, durch Forschungsprojekte und Fort- und Weiterbildung habe das Kompetenznetzwerk die fachliche Entwicklung und Vernetzung im Feld der Demokratiebildung im Kindesalter entscheidend vorangetrieben. Demokratieförderung im Kindesalter bleibe auch in Zukunft durch das Bundesministerium mit der Fortsetzung des Programms "Demokratie leben!" gesichert.

Thomas Krüger stellt fest, dass die aktuellen Krisen einen starken Einsatz zur Verteidigung der Demokratie verlangen. Programme wie "Demokratie leben!" und Projekte wie das Kompetenznetzwerk Demokratiebildung im Kindesalter leisteten einen wertvollen Beitrag, bereits den Jüngsten demokratische Werte zu vermitteln und sie Demokratie erleben zu lassen. Dazu brauche es engagierte Erwachsene, die bereit seien, Macht abzugeben und die Kinder bei der Gestaltung ihrer Lebenswelt zu unterstützen. Das Kompetenznetzwerk  unterstütze gerade diese engagierten Erwachsenen mit Expertise und konkreten Unterstützungsstrukturen. Diese Arbeit brauche es auch in Zukunft, denn Demokratie sei keine Selbstverständlichkeit und müsse verteidigt und gefördert werden.

Petra Wagner untermauert, dass wir als Gesellschaft an diesen Themen dranbleiben müssen, denn gesellschaftliche Entwicklungen und Krisen machten vor Kindern nicht halt. Die größer werdende Kluft zwischen Arm und Reich und die steigende Armut führe zu einer Teilhabekrise, die wachsendes Misstrauen gegen staatliche Einrichtungen und Entmutigung fördere. Für Bildungseinrichtungen stelle sich die Frage, was sie gegen die Entmutigung junger Menschen tun könnten. Auch deswegen müssten alle Beteiligten an Demokratiebildung im Kindesalter dranbleiben, denn für die Aufgabe brauche es Austausch, ein Voneinander-lernen, das Einlassen auf schwierige Themen und eine Verhaltensänderung der Erwachsenen - dazu sollte die Abschlusstagung genutzt werden.

Statements zu Demokratiebildung

In den letzten fünf Jahren hat das Kompetenznetzwerk Demokratiebildung im Kindesalter  die Entwicklung des frühkindlichen Bildungs- und Grundschulbereichs zu demokratischen Lern- und Lebensorten in den Mittelpunkt seiner Arbeit gestellt. Dafür haben die Träger des KNW die jeweiligen Arbeitsschwerpunkte eingebracht: das Deutsche Kinderhilfswerk Kinderrechte und Partizipation, die Fachstelle Kinderwelten Schutz vor Diskriminierung und Inklusion. Über die letzten fünf Jahre konnte das Kompetenznetzwerk Demokratiebildung von Anfang an fundieren und Gelingensbedingungen sammeln. 
Die auf der Abschlusstagung vorgetragenen neun Statements wurden im Nachgang um ein Statement zu Klassismus erweitert. Sie können sich das Dokument unter "weiterlesen" herunterladen.

Junge Perspektiven auf Demokratie und Adultismus

Zu unserer Abschlusstagung wollten wir auch die einladen zu sprechen, um die es in unserer Arbeit geht: Kinder und Jugendliche. Dazu konnten wir zum einen Henry Schuckmann gewinnen, der unter anderem Teil des Jugendbeirates der Initiative Starke Kinder- und Jugendparlamente des Deutschen Kinderhilfswerkes ist. Zum anderen waren Zahra Afshar und Narven Jamo der Cool Kids 2.0 der Fachstelle Kinderwelten auf der Bühne. Sie sprachen zu ihren Perspektiven auf Demokratie und Adultismus. Die Videos der Vorträge finden Sie nachfolgend.

Henry Schuckmann ist seit knapp drei Jahren Mitglied im Jugendbeirat der InitiativeStarke Kinder- und Jugendparlamente des Deutschen Kinderhilfswerkes. Sein Herzensthema in seinem Engagement ist die Thematik junge Menschen komplett in Kommune, Land und Bund mitbestimmen und mitentscheiden zu lassen. Denn junge Menschen sind Expert*innen in eigener Sache. Er hat sein Freiwilliges Soziales Jahr im Bildungsbüro Bielefeld gemacht, ist Referent in der Akademie für Kinder- und Jugendparlamente im Haus Neuland in Bielefeld und war fast drei Jahre im Geschäftsführenden Vorstand des Bildungswerkes für Schülervertretung und Schülerbeteiligung e.V. Seit Kurzem ist er Student, engagiert sich aber weiterhin sehr stark in Schüler*innenvertretungsstrukturen. Das Thema seines Beitrags lautete "Lernen durch Teilhabe - Gemeinsam Adultismus in den Kommunen überwinden". Sie können sich die Präsentation unter "weiterlesen" herunterladen.

Zahra Afshar und Narven Jamo, Cool Kids 2.0

Zahra Afshar ist Gymnasialschülerin und kommt aus Afghanistan. Später möchte sie Schauspielerin werden, das ist ihr größter Traum. Bildung ist Zahra Afshar wichtig, gleichzeitig muss Bildung für alle Kinder möglich sein, vor allem für Kinder, die weniger Möglichkeiten haben und von der Gesellschaft benachteiligt werden. In ihrem Leben ist ihr Gesundheit, Familie und Freund*innenschaft besonders wichtig. Sie setzt sich seit vielen Jahren gegen Rassismus ein. Sie ist Co-Autorin vom mehrsprachigen Buch: Wir Kinder aus dem "Flüchtlings"-Heim und Autorin in der pädagogischen Broschüre der Fachstelle Kinderwelten und des Sozialpädagogischen Fortbildungsinstituts Berlin Brandenburg "Wir gehören dazu". Sie hat mit anderen Mädchen aus der Flüchtlingsunterkunft 2021 den Förderpreis von DAS NETTZ mit dem Projekt "Alles nur nicht aufgeben – Junge Multiplikator*innen gegen Mobbing im Netz" ausgearbeitet und gewonnen. Durch zivilgesellschaftliche Akteur*innen stellte sie das Projekt vor und wurde im Mädchenkollektiv auf Platz 1 gewählt. Dadurch war es unter anderem möglich, dass sie den Social Media Content Instagram coolkids.kinderwelten aktiv organisiert und an der Cool Kids 2.0 Ausstellung mitgearbeitet hat.

Narven Jamo ist landlose Migrantin und kommt aus einem Land ohne Land: Kurdistan. Mit sieben Jahren konnte sie schon Windeln wechseln, "gosht u birinc", ein kurdisches Gericht, kochen und nach Deutschland migrieren. Sie spricht sieben Sprachen. Als Kind musste sie den Krieg miterleben und weiß deswegen, dass man das Leben nicht auf morgen verschieben soll und dass das Recht auf Leben nach wie vor nicht für alle Kinder eingelöst ist. Sie hat 2016 im Alter von neun Jahren von Anfang an bei einem Kinderbuchprojekt Geschichten aus dem Heim gesammelt, im Prozess aktiv mitgewirkt und als Co-Autorin die Wünsche aus dem Heim gesammelt, um sie sichtbar zu machen. Sie ist Mitglied bei den Cool Kids 2.0 und hat am Instagram-Account und der multimedialen Ausstellung mitgearbeitet. Sie hat Lesungen auf Fachtagungen gegeben und ein Interview im Film "Kinderrechte – Ein Mosaik von (Be-)Deutungen" gegeben.  

Gallery Walk

Die Modellprojekte stellen ihre Arbeit in den Bereichen Kita und Hort/Ganztag vor.

Beim Gallery Walk präsentierten die Modellprojekte, die innovative Ansätze für die Gestaltung ihres Handlungsfeldes der Demokratieförderung entwickelt und erprobt haben, ihre Arbeit der letzten fünf Jahre. An Tischen und Stellwänden stellten sie (selbstentwickeltes) Material und Arbeitsergebnisse aus. Die Tagungsbesucher*innen nutzten den Raum für regen Austausch und Vernetzung. Beteiligt waren die Modellprojekte Hortdialoge, Couragierte Kinder, Demokratieprofis in Ausbildung, Demokratie und Antidiskriminierung Hort und Ganztag, Restorative Praktiken und Teilhaberabe. Mehr zu den Modellprojekten erfahren Sie hier auf unserer Website.

Einblicke in die Themenräume

Hinweis: Zu den Themenräumen steht nur ein Video zur Verfügung.

Auf der Abschlusstagung fanden vier Themenräume zu unseren Arbeitsschwerpunkten Kinderrechte, Partizipation, Anti-Diskriminierung und Inklusion statt. Die Beschreibung zu den Themenräume sowie weitere Informationen finden Sie über den "Weiterlesen"-Button in der gelben Infobox.

"Wenn ich ein Problem habe, kann ich das im Morgenkreis sagen." Kinderrechte: der Weg in die Kitapraxis

Dieser Themenraum bot einen Einblick dazu, wie Fachkräfte in der Kita für die Umsetzung der Kinderrechte qualifiziert und sensibilisiert werden können. Dazu stellte Julia Krankenhagen vom Nifbe den Aufbau und Inhalt des Seminarkonzeptes zu kinderrechtebasierte Demokratiebildung vor. Sabrina Jostameling und Talea Böger vom Haus Neuland berichteten von ihren Erfahrungen in der Fortbildung von Kita-Fachkräften und stellten Methoden vor, wie Kinder bereits in der Kita partizipieren können. In der anschließenden Diskussion wurde festgestellt, dass es bei Demokratiebildung in der Kita im Wesentlichen auf die demokratische Gestaltung von Beziehungsarbeit und Alltagssituationen ankommt.

 

"Das Essenparlament ist ein großes, wichtiges Parlament." Gelingensbedingungen für einen partizipativen Ganztag

Dieser Themenraum beschäftigte sich mit Partizipation im (außerunterrichtlichen) Ganztag. Dazu wurden eingangs zwei Forschungsprojekte des Deutschen Kinderhilfswerkes  und des Deutschen Jugendinstitutes (DJI) vorgestellt. Während die Studie des Deutschen Kinderhilfswerkes die Bekanntheit und Relevanz von gesetzlichen und programmatischen Vorgaben bei pädagogischen Fachkräften untersuchte und Fachkräfte zu Herausforderungen und Bedarfen für Demokratiebildung und Partizipation im außerunterrichtlichen Ganztag befragte, nahm das DJI neben der Sicht der Fach- und Lehrkräfte auch die Kinderperspektive in den Blick und erforschte unter anderem, wie  Kinder auf ihren Alltag im Ganztag blicken und wo sie Möglichkeiten der Beteiligung sehen. Wie ein partizipativer Ganztag in der pädagogischen Praxis aussehen kann, wurde vom Modellprojekt Hortdialoge vorgestellt. In dem Projekt wurden Methoden und Konzepte für Partizipation im Ganztag erprobt.

"Manchmal werde ich anders behandelt, und das fühlt sich nicht gut an!" Antidiskriminierung in Kita und Hort/Ganztag verankern

Das Recht auf Schutz vor Diskriminierung ist auch in der UN-Kinderrechtskonvention verankert (Art. 2). Dennoch erleben Kinder Diskriminierung, auch in Bildungseinrichtungen: Sie erleben Adultismus, weil sie Kinder sind, und sie erleben Diskriminierungen mit Verweis auf Geschlecht, Familienkonstellation und -kultur, Behinderung, auf den sozialen Status der Familie, den Hautton, die Körperform, die Familiensprache usw. Sie sind selbst Zielscheibe oder erleben, wie andere diskriminiert werden. Sie bauen diskriminierende Urteile auch in ihr Spielverhalten ein, etwa in die Auswahl ihrer Spielpartner*innen. Wird nicht interveniert, so lernen Kinder, dass diskriminierende Abwertung akzeptabel ist. Und dass die Bildungseinrichtungen keine sicheren Orte sind, weil sie keinen verlässlichen Schutz vor Diskriminierung bieten. Wie können sie sichere Orte werden? Der Workshop bot nach einer Einführung in den Ansatz der Vorurteilsbewussten Bildung und Erziehung© Anregungen zur Reflexion diskriminierender Äußerungen, Handlungsweisen und Strukturen sowie Empfehlungen für das Intervenieren auf fachlicher Ebene.

"Entweder sind alle normal oder niemand." Ableismus als Inklusionsbremse erkennen und stoppen

Mit Unterzeichnung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen 2009 (UN-BRK) verpflichtet sich Deutschland, für ein "inklusives Bildungssystem" zu sorgen, doch der Umbau kommt schleppend voran. Die Inklusionsbremse hat einen Namen: Ableismus. Gemeint ist damit die Diskriminierung und Benachteiligung, wenn Menschen willkürliche Leistungsnormen nicht erfüllen. Im Bildungssystem ist Ableismus über die Vorstellung von "kindlicher Normalentwicklung" tief verankert, ein Bewertungssystem von "normal" und "abweichend" wird bereits in früher Kindheit verinnerlicht. Es bedarf machtkritischer Analysen, um aufzudecken, wie gewaltvoll und ausgrenzend Ableismus wirkt, wer davon wie betroffen wird und wer (noch) nicht. Es bedarf kritischer Selbstreflexion, um Ableismus im eigenen Denken und Sprechen zu erkennen, z.B. wenn "behindert" als Schimpfwort gilt, wenn von "Wahnsinn", von "Idiot*innen", von "blinden Flecken" die Rede ist. Der Workshop ging vor diesem Hintergrund folgenden Fragen nach: Wie können pädagogische Fachkräfte sicherstellen, dass jedes Kind mit all seinen individuellen Facetten in Kindertagesstätten, Horten und Grundschulen willkommen ist und die Unterstützung erhält, die es für seine persönliche Entwicklung benötigt? Welche Ressourcen und Unterstützungsmöglichkeiten gibt es? Was braucht es auf struktureller Ebene?

Kai Hanke, Deutsches Kinderhilfswerk e.V. und Petra Wagner, Fachstelle Kinderwelten/ISTA, beendeten gemeinsam die Veranstaltung mit einem Rückblick und kurzen Ausblick.

Eingangs bedankten sich beide bei den Teams des Deutschen Kinderhilfswerkes und der Fachstelle Kinderwelten/ISTA für die Arbeit der letzten fünf Jahre. Petra Wagner berichtete von den Anfängen des Kompetenznetzwerkes und der vielen gesellschaftlichen Krisen, die zum Start der Arbeit herrschten und im Laufe der Jahre dazugekommen sind. Neben der Corona-Pandemie, dem Angriffskrieg auf die Ukraine und weiteren Polarisierungen in der Gesellschaft, die stattgefunden und zugenommen haben, gab es eine weitere Krise, die sich zugespitzt hat: Die Situation in den Einrichtungen hinsichtlich Personalfluktuation und -mangel. Sie plädiert für Strecken des persönlichen und organisationalen Lernens, um die Schwerpunkte – auch die Arbeitsschwerpunkte des Kompetenznetzwerkes – erst einmal zu verinnerlichen. Nur so kann das Wissen auch in Handlungen überführt werden. Eine Personalfluktuation erschwert das natürlich. Umso wertvoller sind und dankbarer waren wir für die Rückmeldungen der Fachkräfte zu unserer Arbeit und unseren Angeboten, die uns sehr beflügelt haben.


Kai Hanke stellte fest, dass sich das Ende des Kompetenznetzwerkes nicht wie ein Ende anfühlt. Es liege noch so einiges an Arbeit vor uns, die sich aus den Ergebnissen und dem Erarbeiteten der letzten fünf Jahre ergibt. Er zeigt sich dankbar für die Möglichkeit, das Engagement dank der Fortführung des Bundesprogrammes "Demokratie leben!" weiterzuführen. Man müsse es schaffen, Motivation, Kompetenzen und Leidenschaft für Demokratiebildung für Kinder und Jugendliche abzusichern. Dies erfordere auch, dass wir zusammenwirken: in die Gesellschaft, die Bildungsorte und die Institutionen hinein. Die beiden schauten hoffnungsvoll und mit Tatendrang in die Zukunft und auf die weitere Arbeit im Themenfeld.