Arbeitsschwerpunkte

Partizipation

Partizipation ist eines unserer vier Schwerpunktthemen. Auf dieser Seite erfahren Sie mehr zum Zusammenhang von Partizipation und Demokratiebildung.

Partizipation und Demokratiebildung

Kinder haben ein Recht auf Partizipation im Sinne der Mitbestimmung an allen sie berührenden Angelegenheiten (vgl. Kinder und Jugendliche haben ein Recht auf Partizipation).  Partizipation als sozial abgestimmte Einflussnahme erfordert Selbstbestimmung und zielt auf Empowerment. In Erziehungs- und Bildungseinrichtungen geht es um die Beteiligung der Kinder an allen sie betreffenden Themen und Fragestellungen. Sie zeigt sich in Aushandlungen um bestehende Machtstrukturen, Entscheidungsgewalten und Verantwortungen.  Eine Verankerung partizipativer Strukturen in Erziehungs- und Bildungseinrichtungen setzt voraus, dass die notwendigen Rahmenbedingungen geschaffen und stetig weiterentwickelt werden müssen, damit die Beteiligung aller Kinder möglich ist. Partizipatives Handeln ist Teil von Demokratiebildung. Auf struktureller Ebene können beispielsweise Beteiligungsformate wie Kinderräte, Beschwerdeverfahren oder eine Kita-Verfassung verankert werden.  Auf einer alltagspartizipatorischen Ebene wird der Blick auf das Wechselspiel von Fachkräften und Kindern gerichtet. Hier steht die Wahrnehmung von Bedürfnissen der Kinder im Vordergrund, wie z.B. beim Essen, Schlafen oder der Auswahl von Spielorten. Dies ist eine Voraussetzung dafür,  "Kindern das Artikulieren von eigenen Sichtweisen und Anliegen zu ermöglichen"(vgl. Demokratiebildung in der Kita).

Darüber hinaus fordert partizipatives Handeln Erziehungs- und Bildungseinrichtungen in ihrer Gesamtheit heraus, damit sie als Orte der Mitbestimmung und Teilhabe tatsächlich erlebt werden können. Dabei müssen auch Beteiligungsmöglichkeiten innerhalb der pädagogischen Teams überprüft werden: Wer kommt zu Wort und wer nicht? Unter welchen Voraussetzungen findet Partizipation statt? Welche Verantwortungen haben die Leitungskräfte, die Trägerorganisation, usw.? Gibt es einen Betriebsrat?

Damit Partizipation nicht zum „Vorrecht von Stärkeren“ wird, braucht sie Inklusion: Die Sicherstellung, dass sich alle Kinder unabhängig ihres Geschlechts, ihrer kulturellen Identität, ihrer sozialen Klasse, körperlichen und/oder geistigen Merkmalen und Behinderungen gleichwertig einbringen können. Gleichwohl es wichtig ist, die notwendigen Strukturen für Partizipation zu schaffen, muss auch klar sein, dass Kinder das Recht haben, nicht an diesen teilzuhaben, wenn sie nicht möchten. Zu den Beteiligungshindernissen von Erwachsenen gehören die "partizipationsabwehrenden Muster" in pädagogischen Begründungen (vgl. Partizipation von Kindern und Jugendlichen - Zwischen Anspruch und Wirklichkeit). Diese sind häufig von Adultismus geprägt, der Höherbewertung von Erwachsenenanliegen und -sichtweisen vor der von Kindern. Der Satz „Das verstehst du noch nicht, dazu bist du zu klein“ oder auch Redeverbote wie „Keine Diskussion!“ spiegeln dieses Ungleichgewicht sprachlich wider und versetzen Kinder in eine Position der Handlungsunfähigkeit. Auch die Reproduktion klassistischer, geschlechtlicher, rassistischer oder dominanzkultureller Bewertungen kann dazu führen, dass Kinder in Bildungs- und Erziehungseinrichtungen von partizipativen Teilhabemöglichkeiten ausgeschlossen werden. So wird beispielsweise die alleinige Verwendung der deutschen Sprache in vielen Erziehungs- und Bildungseinrichtungen nicht hinterfragt, obwohl sie der Anerkennung und Wertschätzung von Vielfalt und Gleichberechtigung unter den Kindern widerspricht.

Auch formalisierte Beteiligungsverfahren wie Abstimmungen können diskriminierendes Verhalten fördern, wenn beispielsweise das eine Kind sehr schnell darin ist, seine Meinung zu äußern, das andere Kind hingegen Bedenkzeit braucht, um seine Ansichten zu artikulieren. Die Aufgabe von Pädagog*innen ist es, Beteiligungshindernisse abzubauen, etwa durch Beteiligungsformate, die unterschiedliche Zugänge berücksichtigen. Dasselbe gilt für die Einbindung der Eltern/Bezugspersonen:  Beteiligungsmöglichkeiten müssen ihre unterschiedlichen Lebens- und Arbeitsverhältnisse berücksichtigen. Geflüchteten Familien beispielsweise, die infolge zermürbender Fluchterfahrungen psychisch schwer belastet sind, ist die Partizipation auch abseits von bürokratischen Barrieren und dominanzkulturellen Normierungen zu ermöglichen.

Literaturempfehlungen

Bischof, Schiefelbein, Kari/ Petersen, Anke / Schuch, Jessica: Partizipation ist Kinderrecht – Ein Reflexions- und Methodenbuch für die Kitapraxis. Carl Link: Hürth 2022. Verfügbar unter: https://www.kompetenznetzwerk-deki.de/material/partizipation-ist-kinderrecht-ein-reflexions-und-methodenbuch-fuer-die-kitapraxis.html

Deutsches Kinderhilfswerk e.V. (2019): Kinderrechte-Index. Die Umsetzung von Kinderrechten in den deutschen Bundesländern –eine Bestandsanalyse 2019. Verfügbar unter: https://www.dkhw.de/schwerpunkte/kinderrechte/kinderrechte-index/

Deutsches Kinderhilfswerk e.V. (2022): Kinderreport 2022. Rechte von Kindern in Deutschland: Generationengerechte Politik gemeinsam mit und im Interesse von Kindern. Verfügbar unter: https://www.dkhw.de/schwerpunkte/kinderrechte/kinderreport-2022/

Knauer, Raingard/ Sturzenhecker, Benedikt (Hrsg.) (2022): Demokratische Partizipation und Inklusion in Kindertageseinrichtungen. Weinheim Basel: Beltz Juventa in der Verlagsgruppe Beltz.

Prengel, Annedore (2016): Bildungsteilhabe und Partizipation in Kindertageseinrichtungen. Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte. WIFF Expertisen, Band 47. München.

Wagner, Petra (2022): Antidiskriminierung und Bildungsgerechtigkeit in Kitas. In: Knauer, Raingard/ Sturzenhecker, Benedikt (Hrsg.) (2022): Demokratische Partizipation und Inklusion in Kindertageseinrichtungen. S. 200-222. Weinheim Basel: Beltz Juventa in der Verlagsgruppe Beltz.