Veranstaltungsdokumentation

Fachtagung „Demokratiebildung in der Grundschule – Hort und Ganztag als unterschätzte Räume“

 

An dieser Stelle finden Sie die Dokumentation zur Online-Fachtagung des Kompetenznetzwerkes Demokratiebildung im Kindesalter, die am 16. und 17. September 2021 live übertragen wurde. Wir stellen Ihnen direkt auf dieser Seite die Grußworte und fachlichen Inputs in Form von Videomitschnitten, Präsentationen oder kurzen Zusammenfassungen zur Verfügung. Begleitende Dokumente stehen Ihnen über den Button "Weiterlesen" in den gelben Infoboxen zum Download zur Verfügung.

DONNERSTAG, 16. SEPTEMBER 2021 - 14:00 bis 18:00 Uhr


Einführung in den Tag und Grußworte

Fatma Erol-Kılıç, Moderatorin
Petra Wagner, ISTA/Fachstelle Kinderwelten
Kai Hanke, Deutsches Kinderhilfswerk e.V.
Thomas Heppener, Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Demokratiebildung in der Grundschule braucht mehr fachliche und politische Aufmerksamkeit, wie auch der 16. Kinder- und Jugendbericht feststellt. Politische Bildungsprozesse in Hort und Ganztag werden sowohl im fachlichen Diskurs als auch in der Forschung bisher noch zu wenig untersucht, insbesondere vor dem Hintergrund des geplanten und intensiv diskutierten Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreuung. Hier sind Praxis, Forschung und Politik gefordert, sich diesem Bereich verstärkt zuzuwenden. Ziel der Online-Fachtagung des Kompetenznetzwerkes Demokratiebildung im Kindesalter war, an dieser Lücke anzusetzen und das Potenzial von Demokratiebildung im Hort- und Ganztagsbereich und die Verantwortung und Aufgaben, die sich hieraus für alle an der Bildung von Kindern Beteiligten ergeben zu eruieren.     

Petra Wagner, Leiterin der Fachstelle Kinderwelten am Institut für den Situationsansatz, betont in ihrem Grußwort, wie wichtig die fokussierte Weiterentwicklung pädagogischer Konzepte ist, die ausnahmslos alle Kinder mit einbezieht. Sie appelliert an die Teilnehmenden, das eigene Repertoire zu erweitern, um eine fachliche Entwicklung in Hort und Ganztag zu unterstützen, da diese Orte als Räume politischer Bildung noch deutlich unterschätzt werden.

Kai Hanke, stellvertretender Bundesgeschäftsführer  des Deutschen Kinderhilfswerkes, sieht in der Fachtagung die Gelegenheit, die Gründe für ebendieses Problem aufzudecken und zu besprechen, Handlungsmöglichkeiten zu finden und politische Impulse zu setzen.

Thomas Heppener, Leiter der Unterabteilung 10 „Demokratie und Engagement“ beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, hebt anschließend hervor, wie substanziell die intensive Auseinandersetzung mit dem Thema Demokratiebildung für eine gute Bildung in Hort und Ganztag ist. Er geht außerdem näher auf die Modellprojekte im Themenfeld „Demokratieförderung im Kindesalter“ ein und ihren Beitrag zur Umsetzung von Demokratiebildung in der Praxis.

Aktuelles aus dem Kompetenznetzwerk

Nuran Ayten, ISTA/Fachstelle Kinderwelten und Elisa Bönisch, Deutsches Kinderhilfswerk e.V.

Seit der ersten Fachtagung des Kompetenznetzwerkes Demokratiebildung im Kindesalter bis zur Tagung 2021 ist fast ein Jahr vergangen. Trotz einiger Einschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie hat sich in dieser Zeit im Themenfeld und in der Kompetenznetzwerk-Arbeit vieles bewegt, worüber Nuran Ayten (ISTA/Fachstelle Kinderwelten) und Elisa Bönisch (Deutsches Kinderhilfswerk e.V.) berichten:

Im Februar 2021 wurde die Online-Materialdatenbank auf der Kompetenznetzwerk-Website www.kompetenznetzwerk-deki.de gelauncht, die allen Interessierten empfehlenswerte Praxis- und Informationsmaterialien aus dem Feld der Demokratiebildung zugänglich macht. Weiterhin hat das Deutsche Kinderhilfswerk die Ergebnisse einer umfassenden Dokumentenanalyse zum Thema „Verankerung von kinderrechtebasierter Demokratiebildung im Primarbereich“ veröffentlicht und ein Forschungsprojekt zur Entwicklung von Demokratiebildungsprozessen bei Kindern im Übergang von der Kita in die Grundschule in Auftrag gegeben. Diesjähriges Highlight der Fachstelle Kinderwelten des ISTA war die Fachtagung 10. Baustelle Inklusion im Juni, die zum Thema „Aktivwerden gegen Diskriminierung“ stattfand. Es ging um eine demokratische Kultur in Kitas und Schulen sowie um Handlungsstrategien gegen Diskriminierung. Des Weiteren wird Ende 2021 noch ein internationales Treffen stattfinden, in dessen Rahmen diskriminierungskritische Pädagogik auf internationaler Ebene diskutiert werden.

Sowohl die aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen und Herausforderungen als auch Ereignisse in der Vergangenheit zeigen, wie wichtig die frühe und ganzheitliche Demokratiebildung von Kindern ist. Stetiger Bezugspunkt der Arbeit des Kompetenznetzwerkes sind dabei die Rechte aller Kinder auf Bildung, Beteiligung und Schutz vor Diskriminierung im frühkindlichen Bildungs- und Grundschulbereich.

Vorstellung der Feldanalyse „Kinderrechtebasierte Demokratiebildung im Primarbereich“

Maria Jäger, Deutsches Kinderhilfswerk e.V.

Im Rahmen der Arbeit des Kompetenznetzwerkes Demokratiebildung im Kindesalter und im Auftrag des Deutschen Kinderhilfswerks wurde 2020 eine umfassende Feldanalyse zum Thema „Verankerung von Demokratiebildung im Primarbereich“ mit Fokus auf den Hort- und Ganztagsbereich durchgeführt. Dafür wurden die rahmengebenden Dokumente der 16 Bundesländer, wie Kita- und Schulgesetze sowie Bildungs- und Rahmenpläne, auf die fachübergreifende Verankerung kinderrechtebasierter Demokratiebildung im Grundschulbereich untersucht.

Die von Maria Jäger, Projektreferentin des Deutschen Kinderhilfswerkes, vorgestellte Analyse zeigt, dass im Bundesländervergleich große Unterschiede bestehen. Die vier zentralen Aspekte der kinderrechtebasierten Demokratiebildung – Kinderrechte, Partizipation, Inklusion und Schutz vor Diskriminierung – werden in den rechtlichen und programmatischen Vorgaben für den Grundschulbereich vereinzelt genannt, jedoch teilweise nur sehr marginal und auf die reine Formalität beschränkt. Kinderrechte werden in den Schulgesetzen nur wenig thematisiert, wobei die explizite Nennung der UN-Kinderrechtskonvention sogar mehrheitlich ausbleibt. Außerdem bestehen große Lücken bei der Verankerung von Demokratiebildung als Querschnittsthema in den Bildungsplänen, welche in nur wenigen Bundesländern verbindlicher Gegenstand der Lehrpläne ist. Deutlich wird, dass weitere Erhebungen im Themenfeld vonnöten sind, um sich einen ganzheitlicheren Überblick hierüber zu verschaffen. Es müssen zudem bundeseinheitliche Vorgaben entwickelt werden, um kinderrechtebasierte Demokratiebildung im Hort und Ganztag in Deutschland nachhaltig und zu verankern.

Weitere Ergebnisse zur Feldanalyse finden Sie unten in der PDF-Datei in der gelben Box.

Fachvortrag: "Gehört-Werden, Mitwirken und Mitbestimmen: Qualität von Ganztag aus der Perspektive von Kindern"

Prof. Dr. Iris Nentwig-Gesemann, Freie Universität Bozen

Hinweis: Zu diesem Vortrag steht kein Video zur Verfügung. 

Die Mitbestimmung von Kindern ist im Rahmen demokratischer Bildungsprozesse zentral. Im Fachvortrag „Gehört-Werden, Mitwirken und Mitbestimmen: Qualität von Ganztag aus der Perspektive von Kindern“ beantwortet Prof. Dr. Iris Nentwig-Gesemann, Professorin für Allgemeine Pädagogik und Frühpädagogik an der Freien Universität Bozen, auf Basis der Ergebnisse ihres abgeschlossenen qualitativen Forschungsprojekts die Leitfrage, was einen guten Ganztag oder Hort aus Kindersicht ausmacht.

Beteiligung ist Bildungsaufgabe - Der Kinderperspektivenansatz beschreibt die kinderrechtlich basierte pädagogische Haltung der partizipativen Arbeit mit Kindern. Kinder haben anspruchsvolle und sehr differenzierte Meinungen bezüglich der Gestaltung von Hort und Ganztag. Der Ansatz soll einen Beitrag dazu leisten, die Kinder bei der Qualitätsentwicklung gleichberechtigt mit einzubeziehen. So geht aus der Studie hervor, dass Kindern besonders die Interaktionen zwischen den pädagogischen Fachkräften und ihnen selbst wichtig ist. Frau Prof. Dr. Nentwig-Gesemann verdeutlicht anhand verschiedener Situationen, wie beispielsweise beim Mittagessen, bei der Mitgestaltung von Innenräumen und Außenbereichen sowie der Hausaufgabenbetreuung eine positive Beziehung zwischen Fachkräften und Kindern geschaffen und die Beteiligung gefördert werden kann.

Weitere Informationen zum Fachvortrag finden Sie im PDF unten in der gelben Box.

 

Gesprächsrunde zur Demokratiebildung in Hort und Ganztag

Prof. Dr. Iris Nentwig-Gesemann, Freie Universität Bozen
Maria Jäger, Deutsches Kinderhilfswerk e.V.
Tajan Ringkamp, ISTA/Fachstelle Kinderwelten
Sophie Huth, pädagogische Fachberatung im Ganztag, Berlin 

Hinweis: Zu diesem Beitrag steht kein Video zur Verfügung. 

Was muss sich durch den Anspruch auf Ganztagsbetreuung ändern? Gibt es Studien über die Sinnhaftigkeit von Hausaufgaben? Was braucht die Implementierung kinderrechtebasierte Demokratiebildung in der Praxis und welche Methoden haben sich im Hort und Ganztag bewährt?

In der Gesprächsrunde zur Demokratiebildung im Hort und Ganztag beantworten die am Fachtag beteiligten Expert*innen Prof. Dr. Iris Nentwig-Gesemann (Freie Universität Bozen), Maria Jäger (Deutsches Kinderhilfswerk e.V.), Tajan Ringkamp (ISTA/Fachstelle Kinderwelten) und Sophie Huth (pädagogische Fachberatung im Ganztag, Berlin) ausgewählte Fragen, die über das Beteiligungstool Mentimeter vom Publikum gestellt werden konnten.

Eine Frage gilt dem Potential von kinderrechtebasierter Demokratiebildung und möglichen Implementierungsmethoden in der Praxis. Dazu gehört die konsequente Beteiligung und Mitbestimmung von Kindern im Ganztagsbereich, die entsprechende Rahmenbedingungen braucht, wie auch, dass Erwachsene bei ihrer pädagogischen Begleitung Macht abgeben. Weitere Themen sind die Sinnhaftigkeit von Hausaufgaben, die richtige Gestaltung von Beschwerdeverfahren und das Anstreben bundeseinheitlicher Qualitätsstandards in der Ganztagsbetreuung in Deutschland. Maria Jäger kündigt an, dass aktuell bereits eine die bisherigen Ergebnisse ergänzende Folgeanalyse zu “Kinderrechtebasierter Demokratiebildung im Primarbereich“ mit den Schwerpunkten Antidiskriminierung und Inklusion durchgeführt wird.

Einblick in das Beteiligungstool am ersten Veranstaltungstag

FREITAG, 17. SEPTEMBER 2021 - 09:00 bis 13:00 Uhr


Fachvortrag: „(K)eine Schule ohne Rassismus?! - Schutz vor Diskriminierung als zentrale Voraussetzung für die Umsetzung menschenrechtlicher Vorgaben in Grundschulen“

Saraya Gomis, Studienrätin, Vorstandsmitglied EachOneTeachOne

Hinweis: Freigabe des Videos steht noch aus.

„Es gibt keine Bereiche in Schulen, in denen Antidiskriminierungsarbeit und diskriminierungskritische Arbeit nicht eine Rolle spielt“, betont Saraya Gomis. Im Fachvortrag „(K)eine Schule ohne Rassismus?! – Schutz vor Diskriminierung als zentrale Voraussetzung  für  die Umsetzung menschenrechtlicher Vorgaben in Grundschulen“ spricht die Studienrätin, Vorstandsmitglied von EachOneTeachOne und ehemalige  Antidiskriminierungsbeauftragte für Schulen des Berliner Senats, über Prävention sowie Intervention von und bei Diskriminierung und Rassismus in Schulen aus Fachkräfteperspektive.

Dabei geht Sie unter anderem folgende Fragen nach: Was brauchen wir, wenn wir Menschrechts- und Demokratiebildung unter diskriminierungskritischen Aspekten im Kontext Schule machen wollen? Wie kann Präventionsarbeit gestaltet und Diskriminierungskritik im Alltag integriert werden? Welche Grundlagen gibt es? Wie können Diskriminierungsvorfälle an Schulen und im Kollegium besprochen werden?

„Weil (wir) häufig aus der Geschichte der Art und Weise wie wir ausgebildet werden, nicht diskriminierungskritisch ausgebildet sind“ geht es hierbei um die dringende diskriminierungskritische Professionalisierung von Berufen im pädagogischen Kontext und das Nutzen von rechtlichen Grundlagen, um diesem Thema zu begegnen. Es braucht Werkzeuge und Analysekonzepte, um angemessen in der Prävention und Intervention im Schulalltag zu arbeiten, aber auch diskriminierungskritisch Unterrichten zu können. Diskriminierung, Antidiskriminierung, Rassismus und Antirassismus sollten als Querschnittsthemen verstanden werden, die sich auch auf Bereiche wie Gewaltprävention, Gesundheitsprävention und Digitalisierung auswirken. Wichtig ist, dass die Themen nicht einfach als einzelne Inhalte im Unterricht behandelt werden, sondern „als ein selbstverständlicher Teil, in jedem Aspekt, in jeder Minute unseres Unterrichts“ integriert werden.

Gesprächsrunde zu Antidiskriminierung in Schule

Saraya Gomis, EOTO e.V.
Maria Jäger, Deutsches Kinderhilfswerk e.V.
Nuran Ayten, ISTA/Fachstelle Kinderwelten
Ramona Sinram-Agyeman, pädagogische Fachkraft im Hort, Bremen-Osterholz

Hinweis: Freigabe des Videos steht noch aus.

Welche Formen der Diskriminierung gibt es? Wie müssen wir uns darüber bewusst werden? Wie können Beschwerdestellen in der Schule implementiert werden, insbesondere wenn es Widerstand gibt? Gibt es Potenziale in Hort/Ganztag, die sich von Schule unterscheiden? Welchen Maßnahmen oder Werkzeuge in der Umsetzung von Demokratiebildung im Hort haben sich bewährt?

In der Gesprächsrunde zu Antidiskriminierung in Schulen beantworten die Expert*innen Saraya Gomis (EOTO e.V.), Maria Jäger (Deutsches Kinderhilfswerk e.V.), Nuran Ayten (ISTA/Fachstelle Kinderwelten) und Ramona Sinram-Agyeman (pädagogische Fachkraft im Hort, Bremen-Osterholz) Fragen, die von den Teilnehmenden über das Beteiligungstool Mentimeter gestellt werden. Sie sprechen über die Anwendung bestimmter Konfliktlösungsmethoden, die im Zusammenhang mit Diskriminierung keine angebrachten Lösungen sind, da Diskriminierung grundsätzlich kein Konflikt ist, und stellen als alternative Methode den „Dritten Raum“ vor. Zudem werden im Gespräch diskriminierende Kinderlieder sowie problematische Projekte im Themenfeld Antirassismus thematisiert. Weiterhin wird die Empfehlung ausgesprochen, sich bei konkreten Diskriminierungsfällen an eine Beratungsstelle für Antidiskriminierung zu wenden. Um generelle Widerstände in Schule zu überwinden und erste Zugänge zu schaffen können Kooperationen mit außerschulischen Bildungsträgern und Vereinen im Themenfeld hilfreich sein.

FACHFOREN

Hinweis: Zu den Foren stehen keine Videos zur Verfügung.

Im Rahmen der Fachtagung hatten die Teilnehmenden die Möglichkeit an sechs verschiedenen Fachforen zum Thema teilzunehmen. Begleitmaterial zu den jeweiligen Fachforen finden Sie über den "Weiterlesen"-Button in den gelben Infoboxen.

Fachforum 1: Kinderrechte und Demokratiebildung in Schule – gemeinsam lernen und leben

Hannah Abels, Makista e.V.

Am Beispiel des hessischen Schulnetzwerks für Kinderrechte und Demokratie zeigt das Fachforum, wie die Kinderrechte im Schulalltag gelebt und gelernt werden können. Das betrifft die Unterrichtsgestaltung, Projekte, die Kultur des Miteinander und entsprechende Strukturen. Es geht um Haltungen und demokratisches Handeln – einzeln und als Gruppe. Und Schule ist keine Insel, sondern ein wichtiger Raum in der Bildungslandschaft, in der die Erwachsenen gemeinsam für das gesunde Aufwachsen und die Potenzialentfaltung aller Kinder und Jugendlichen verantwortlich sind, im Unterricht am Vormittag wie in der Nachmittagsbildung und -betreuung. 2020 feierte das hessische Modellschulnetzwerk sein 10-jähriges Bestehen, kann über Stationen und Stolpersteine, aber auch über Erfolge und beharrliches Verstetigen und Entwickeln berichten. Der Fachvortrag aus dieser Erfahrung heraus eine Vielfalt an Zugängen: inhaltliche Impulse zu den wichtigsten Prinzipien der Kinderrechtskonvention und ihrem Zusammenhang zum Demokratielernen, Beispiele für Übungen und Ideen für die pädagogische Praxis, bewährte Materialien bis zu Möglichkeiten für den eigenen Einstieg in die kinderrechtliche Gestaltung von Schule.

Fachforum 2: Hortdialoge & Beteiligung – demokratiestärkende Bildungsarbeit im Hortalltag

Thomas Krieger und Kristina Quandt, Modellprojekt „Hortdialoge & Beteiligung“

Ist die demokratiestärkende Bildungsarbeit mit Grundschüler*innen in Horteinrichtungen eine bisher zu wenig genutzte Chance? Kinder verbringen viel Zeit im Hort. Leider sind hier menschenverachtende Meinungsbilder, ausgrenzendes Verhalten, unzureichende Formen der Mitgestaltung ebenso täglich präsent wie in der Grundschule. Doch in der Auseinandersetzung mit dem Thema demokratische Teilhabe zur frühzeitigen Entgegnung potenziell menschenverachtender Einstellungsmuster findet der Bildungsraum Hort bisher wenig direkte Behandlung. Darüber hinaus bedarf es einer strukturellen Verankerung demokratiestärkender Bildungsarbeit im Hort. Wie kann ein interventiver und präventiver Umgang mit diesen Themen in der Arbeit mit Kindern und pädagogischen Fachkräften im Hort aussehen? Im Rahmen des Fachforums werden diese Fragen erörtert und einen konkreten Blick in die Umsetzung von Demokratiebildung im Modellprojekt Hortdialoge & Beteiligung gegeben. Dabei geht es neben dem konkreten Ansatz vor allem um verschiedene Praxiseindrücke, Herausforderungen und erste Ergebnisse.

Fachforum 3: Empowerment-orientierte und Rassismuskritische Arbeit in der Pädagogik

Dr. Nkechi Madubuko, Soziologin, Autorin und Diversity Trainerin

Viele Schüler*innen erzählen von schulischen sowie auch außerschulischen Rassismuserfahrungen, die allesamt schmerzhaft für sie waren und in vielen Teilen immer noch sind. Die Besonderheit an den schulischen Rassismuserfahrungen ist, dass sie biografisch sehr einschneidend sind, insbesondere weil formelle Bildungsabschlüsse über den weiteren Werdegang von jungen Menschen entscheiden. Eine empowerment-orientierte pädagogische Haltung bedeutet vor allem, diskriminierenden Umgang durch Fachkräfte, Lehrpersonal, im Klassenverband oder unter Schüler*innen wahrzunehmen und entsprechend drauf zu reagieren bzw. diesen zu stoppen. In der Haltung gegenüber den Schüler*innen braucht es ein Grundverständnis von Antidiskriminierungspädagogik (rassismuskritische Sichtweise und Diskriminierungsschutz) sowie eine wertschätzende, vertrauensvolle Beziehung zu den Schüler*innen. Grundlagen zu Empowerment-Orientierung kommen hinzu. Diese Aspekte haben direkten Einfluss auf die Selbstwahrnehmung sowie Selbstwirksamkeit und damit Zugriff auf die Potenziale von Schüler*innen. Im Fachforum werden Grundlagen für rassismuskritische Handlungsweisen vorgestellt und in engem Bezug zur Praxis diskutiert.

Fachforum 4: Queere Bildung im Grundschulalter? Sexuelle und geschlechtliche Vielfalt im Kontext von Kinderrechten, Partizipation, Inklusion und Diskriminierungsschutz

Thomas Kugler, QUEERFORMAT/Fachstelle Queere Bildung (Berlin)

In seinem Bericht an die Generalversammlung der Vereinten Nationen vom 17. Juli 2019 thematisiert Victor Madrigal-Borloz die sozio-kulturelle und wirtschaftliche Inklusion von LGBT Personen weltweit (A74/181). Mit dem Blick auf Kinder und Jugendliche im Bildungsbereich stellt der unabhängige Experte für den Schutz vor Gewalt und Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung und der Geschlechtsidentität fest: „LGBT Schüler*innen und Kinder von LGBT Eltern erfahren Übergriffe in Bildungskontexten, darunter Hänseleien, Beschimpfungen, Einschüchterung, physische Gewalt, soziale Ausgrenzung, Cybermobbing, physische und sexuelle Übergriffe und Todesdrohungen, all dies in unverhältnismäßiger Weise verglichen mit der Allgemeinbevölkerung. Diese Übergriffe geschehen in Klassenzimmern, auf Schulhöfen und in Gemeinschaftsbereichen, Toiletten und Umkleiden, auf dem Schulweg und dem Heimweg und online.“

Wie ist es um die Kinderrechte und Beteiligung von lesbischen, schwulen, bisexuellen, transgeschlechtlichen, intergeschlechtlichen und nichtbinären Kindern in Deutschland bestellt? Was wissen wir über ihre Lebenslagen? Welche Rolle spielt die Vielfalt von sexuellen Orientierungen und Geschlechtsidentitäten in den Lebenswelten der Kinder? Wie wirken sich tradierte Geschlechteranforderungen auf ihre Teilhabemöglichkeiten aus? Auf welche heteronormativen Barrieren stoßen queere Kinder in Grundschule und Hort? Wie können Fachkräfte inklusive Zugänge gestalten und sich aktiv für Diskriminierungsschutz einsetzen? Und wie kann Demokratiebildung in der Grundschule aussehen, die Ansätze für queere Bildung konsequent einschließt? Das Forum bietet Einblicke in die Forschungslage, thematisiert normative Grundlagen, stellt einen praxiserprobten theoretischen Gender-Ansatz vor und vermittelt Impulse für praktisches pädagogisches Handeln.

Fachforum 5: Armut und Klassismus - (k)ein Thema im Hort?

Ellena Hüther, Pädagogin und Fortbildnerin in der Antidiskriminierungsarbeit

Sozioökonomische Unterschiede in der Gesellschaft werden zunehmend größer und machen auch vor dem gemeinsamen Lernen in Schule und Hort nicht halt. Kinder nehmen Unterschiede und gesellschaftliche Bewertungen bereits früh wahr und ziehen daraus Schlüsse über sich selbst und ihre Familien. Dies kann das Selbstwertgefühl beeinträchtigen und Bildungschancen verhindern. Kinderrechte auf Bildung, gesundheitliche Versorgung und Beteiligung müssen immer wieder neu überprüft und verwirklicht werden: Wenn soziale Ungleichheiten nicht reflektiert werden bzw. diesen aktiv entgegengewirkt wird, besteht auch im Hort das Risiko, diese zu verstärken. Dabei spielen sowohl eigene Vorurteile als auch strukturelle Barrieren eine Rolle. Das gemeinsame Lernen von Kindern in der Ganztagsbetreuung bietet gleichzeitig die Chance, gezielt Ungerechtigkeiten wahrzunehmen, auf diese aufmerksam zu machen und gemeinsam mit Kindern, Eltern und Fachkräften nach Lösungen zu suchen, wie Schule und Hort einen Beitrag zu sozialer Gerechtigkeit leisten können. Der Fachvortrag vermittelt und diskutiert Grundlagen zu sozialer Ungleichheit und Auswirkungen auf die Identitätsentwicklung von Kindern. Ziel ist es, eine stärkere Sicherheit im Umgang mit sozialen Unterschieden zu erhalten, Erfahrungen auszutauschen sowie erste Handlungsmöglichkeiten im eigenen Arbeitsumfeld zu entwickeln.

Fachforum 6: Machtgeschichten – Mit Kindern über Adultismus ins Gespräch kommen

Anne Sophie Winkelmann, freiberufliche Bildungsreferentin, Autorin, pädagogische Fachkraft

Wenn es um Demokratiebildung in der Grundschule geht, sind wir Erwachsenen immer auch gefragt, unseren Umgang mit der erzieherischen Macht zu reflektieren, die wir gegenüber den Kindern haben. Als Institution Schule, als Team, als einzelne Fachkraft müssen wir uns explizit für einen aufmerksamen Blick auf unsere Praxis und die Strukturen entscheiden.

Das Fachforum beschäftigt sich mit Adultismus im Kontext von Grundschule und wie man darüber mit Kindern, über konkrete Erfahrungen auf verschiedenen Ebene,  ins Gespräch kommen kann. Zudem geht es darum, wie die (oft versteckten) Beschwerden der Kinder erkannt und ernst genommen werden können.

Abschluss-Interview und Verabschiedung

Fatma Erol-Kılıç, Moderatorin
Nuran Ayten, ISTA/Fachstelle Kinderwelten
Elisa Bönisch, Deutsches Kinderhilfswerk e.V.

Mit abschließenden Worten runden Nuran Ayten (ISTA/Fachstelle Kinderwelten) und Elisa Bönisch (Deutsches Kinderhilfswerk e.v.) die Fachtagung „Demokratiebildung in der Grundschule – Hort und Ganztag als unterschätzte Räume“ des Kompetenznetzwerkes für Demokratiebildung im Kindesalter ab. 

Die Fachtagung hat unter anderem die Bedeutung von guten Qualifizierungen hervorgehoben. ”Wir alle stecken in Strukturen von Macht”, bestätigt Elisa Bönisch mit Bezug auf den Input von Saraya Gomis. Gute, diskriminierungssensible Qualifizierungsangebote können dabei helfen, pädagogische Fachkräfte vor Überforderung zu schützen und Kinderrechte und Beteiligung im Schul- und Hortalltag zu verwirklichen und gemeinsam zu leben, ohne dass es sich dabei wie eine zusätzliche Belastung anfühlt. Dafür sollen zukünftig Aus- und Fortbildungen und die entsprechenden Inhalte qualitativ überprüft werden, um sicherzustellen, dass auf dieser Grundlage wirklich inklusiver gearbeitet werden kann und gemeinsam verstärkt Zugänge zur kinderrechtebasierten Demokratiebildung in Hort und Ganztag geschaffen werden. Nuran Ayten betont: „Demokratiebildung kann nur als ein Prozess angegangen werden, in dem Ausschlüsse und Diskriminierungen auf struktureller, institutioneller und inter/subjektiver Ebene erkannt, kritisiert und abgebaut werden.“ 

Einblick in das Beteiligungstool am zweiten Veranstaltungstag